Tuesday 9 June 2009

Archäologische Zeitung

SAMMLUNG DES HRN. F. COOK ZU MONTSERRAT BEI CINTRA (LISSABON).

Hr. Fr. Cook in London, woselbst er ebenfalls Sammlungen aller Art besitzt, hat in seiner Villa an dem oben bezeichneten Ort eine Reihe antiker Gegenstände von sehr ungleichem Werth, darunter auch viel modernes, zusammengebracht, von denen ich im Folgenden ein möglichst kurzes Verzeichniss, mit absichtlichem Ausschluss alles sicher modernen, gebe.

Statuen:

im Treppenhause, links neben dem Eingang,

(1) kleine Nachbildung der bekannten Statue des Nil aus dem Vatican, zweimal durchgebrochen, aber gut zusammengefügt, unbedeutende Arbeit, aber allem Anscheine nach alt. — In der Bibliothek,

(2) Statue eines römischen Knaben unter Lebensgrösse, der unbedeutende Kopf aus weissem Marmor ist stark renovirt, die sehr flach gehaltene Ürapirung des ganzen Körpers, welche bis über die Füfse reicht, aus braunem Marmor mit weissen Flecken. — In einem kleinen Zimmer neben der Bibliothek

(3) Statue des Mercur unter Lebensgrösse aus weissem Marmor, auf dem Kopf der Flügelhut; in der Rechten einen Geldbeutel, in der Linken einen Griffel; die über der rechten Schulter geheftete schmale Chlamys fällt über die linke Schulter und den linken Arm; der Blick des rechtshin gewandten Kopfes ist gesenkt; die Last des Körpers ruht auf dem rechten Bein. Die Beine von der Mitte des Oberschenkels an bis zu den Knöcheln sind modern, die Füfse wieder antik; gewöhnliche Arbeit.

(4) Kleine Statue aus weissem Marmor: nackter bärtiger Satyr mit dem Löwenfell [?] über den Schultern, dessen Beine vor der Brust zusammengebunden sind. Neu sind die Beine vom Knie abwärts und der erhobene linke Arm mit einer Schale von der Mitte des Oberarmes an. Der Ausdruck der Kopfes ist vortrefflich, ebenso Brust und Rücken von guter Arbeit.

Büsten:

im Treppenhause,

(1) stark restaurirter Kopf eines Satyrs, weisser Marmor, Lebensgrösse. Nase und Stirn über dein linken Auge bis zum rechten und ein hoher Haarbusch, Stücke der Oberlippe und die ganze Unterlippe, ein Theil des rechten Ohres und dt r linken Schläfe, sowie die ganze Büste sind neu. Auch der Oelzweig im dichten, etwas aufgesträublein Haar ist durch Renovirung fast unkenntlich gemacht. Die alten 'i heile sind von hoher Schönheit. Auf der Treppe,

(2) Kaiserbüsle (Vespasian?) aus schwarzem Marmor, Lebensgrösse, wenig ausgeführte, flüchtige Arbeit. Kopf und Büste, obwohl sie mehrfach zusammengesetzt ist, wohl neu. — Ebendaselbst,

(3) Kopf eines Barbaren, schwarzer Marmor, Lebensgrösse, barllos, mit auffallend breiler Stirn und weit geöffneten Augen, unbedeutend, wohl modern.

In der Bibliothek,

(4) Büste Homer's, gut gearbeitet, aber wie es scheint, moderne Nachbildung des bekannten Typus. Ebendaselbst,

(5) der Kopf eines wilden Kriegers, aus schwarzgrünem Stein, Lebensgrösse, die Büste von weissem Marmor. Der Mund ist grinsend aufgerissen, das Haar fällt struppig auf die ganz kurze Stirn, der kurze, spärliche Bart lässt das Kinn frei. Der Hals hat eine merkwürdige Menge Falten, die Gurgel ist hoch herausgearbeitet und es führen zu ihr tief gelegte Falten auffallend schief hin. Der Ausdruck des Kopfes ist ungebän- digte Wildheit, interessante, aber vielleicht auch moderne Arbeit. — Ebendaselbst,

(6) eigentümlich breiter Kopf auf "starkem Nacken mit kurzem Bart, schwarzer Marmor. Die Büste aus weiss- und braungeflecktem Marmor ist entschieden, der Kopf wahrscheinlich neu. — Ebendaselbst,

(7) ein weiblicher ägyptischer Kopf von sehr feiner Arbeit; aus dunkelgrünem Stein, über die Brust zieht sich ein brauner Streif, unter Lebensgröfse. — Ebendaselbst,

(8) ein weiblicher Kopf mit ganz ruhigem, fast lodlem Ausdruck (Minerva?), weisser Marmor, halbe Lebensgrösse. Auf dem dichten, schlichten Haar ruht eine Sturmhaube, welche ganz eng anliegl, in den Ohren und in einer geraden Linie von einem Ohr zum anderen sind an den Seiten und in dem wenig erhöhten Kamm des Helms Löcher znm Befestigen von Zierralhen «angebracht. Die Arbeit ist sehr trocken. —

Ebendaselbst, (9) Doppelbüste eines älteren bärtigen Satyrn und einer Bacchantin aus weissein Marmor. Der ganze obere Tlieil des Gesichts bis zu den Augen herab und der ganze Vorderkopf der Bacchantin ist neu. Ein Epheukranz ist um beide Häupter gelegt, beim Satyr sind Hörner angedeutet; flüchtige, aber nicht uninteressante Arbeit.

Ebendaselbst, (10) kleine Büste einer römischen Matrone aus weissem Marmor. Die Nase ist neu. Der Kopf hat einen ruhigen Ausdruck, das Haar ist schlicht nach hinten gekämmt. —

In einer Rotunde, (11) jugendliche Kaiser- Itüste (Commodus?) in Lebensgröfse. Neu sind die Nase, die Augenbraue des linken Auges, die linke Seite des Gesichts hinter dem Auge, und mehr als die Hälfte des Hinterkopfes. Der Kopf ist aus weissem Marmor; an der Büste aber ist die Hüslung aus chocoladenfarbigem, geflecktem Stein, ein Stück Mantel über der linken Schulter heller braun und gelb, aber das ganze letztere wohl neu.

Eirundes Relief. Links sitzt Herakles auf einem Felsen, über den die Löwenhaut ausgebreitet ist, hinter ihm lehnt seine Keule; die Rechte hängt schlaff herab, die Linke, deren Arm etwas von der Chlamys bedeckt ist, ruht auf dem linken, eingestemmten Knie und hält den Köcher am Band zwischen den Beinen. Neben ihm, etwas zurück, ist der Baum mit den Hesperidenäpfelri, deren drei ungefähr in der Mitte des Reliefs hängen. Der Drache, vollständig als Schlange gebildet, umschlingt ihn in zahlreichen Windungen. Rechts steht eine reichgekleidete Frau. Die feine Tunrca fangt erst unter den Brüsten an, der Mantel ist über die linke Schulter geschlagen, das Haar mit einem Tuch umwickelt. Die Hechte ist gegen das Gesicht erhoben, die Linke hält einen Stengel mit drei Blülhen'). — Andere Reliefs, z. B. eine .Nymphe, welche einen brünstigen Salyr abhält, und Leander, zur Hero schwimmend, sind entschieden modern.

Vasen. In dem Zimmer neben der Bibliothek: zwei Vasen (Form N. 40 bei O. Jalin) *1) in schönem altischen Stil, rolhe Figuren auf schwarzem Grunde.

Auf der einen (l)
a) ein ganz bekleideter, bärtiger Priester, den Epheukranz im Haar, hält in der Hechten nach links hin einen Krug, aus dem er auf einem brennenden Allar zu spenden im Begriffe steht. Die Linke hält einen langen Thyrsus.
b) Ein nackter, jugendlicher Salyr mit langem Schweif streckt die Linke wie taslend vor, ebenso das linke Bein; das rechte ist zuiückgebogen, in der Rechten hält er einen Krug.

Auf der anderen (2)
a) ein Jüngling in langem Mantel, aus welchem nur der rechie Arm und die rechte Schulter hervorsehen, hält in der vorgestreckten Rechten einen langen Slab; der linke Arm, vom Mantel bedeckt, ist in die Seite gestemmt,
b) Ein nackter Jüngling, mit einer schmalen, braunen Binde im Haar, ist im Begriff, in's Bad zu steigen. Er steht gerade gegen den Beschauer, der Kopf ist etwas nach links gewandt, die Arme sind vor der Brust gekreuzt und die Hände auf die Schulter gelegt. Das einfache Motiv ist mit grolser Meisterschaft ausgeführt, man fühlt es förmlich mit, wie ein leiser Schauder den Körper in dem kühlen Hauine durchzieht. Rechts neben ihm liegt der Mantel und der lange Stab, oben hängl ein Schlauch.

In einem Zimmer rechts vom Eingange, (3) eine Vase (in der Form ähnlich N. 35 bei O. Jahn), rolhe Figuren auf schwarzem Grunde. Ich konnte nur die eine Seite sehen. Ein Greis, in den Mantel gehüllt, mit langem Stock in der Linken, ist zu einem nackten Jüngling rechts hin gewandt, dessen Kopf, rechter und linker Arm und linkes Bein am Oberschenkel mit schmalen, braunen Händern umwunden ist, welche zusammengeknotet mit langen Enden ausflattern.

In der Bibliothek, (4) grofse Vase mit drei Henkeln (Form N.34 bei 0. Jahn); alterthümlicher Stil. Zwei Streifen schwarzer Figuren mit weiss und braun auf rothem Grunde,
a) zwischen den beiden Henkeln (ich gehe bei der Beschreibung von links nach rechts): eine bekleidete Frau, wie alle Frauen mit vveissem Gesicht und Händen, hält in der Linken einen langen Stab mit einem Knopf. Sie beugt sich etwas herab zu einem Greise mit weissem Bart und Haar, welcher auf einer Säule sitzt und den Kopf zu ihr zurückwendet; auch er hat in der Linken einen langen Slab. In der Mitte besteigt ein Krieger nach rechts hin den Schlacht-Wagen; er hat den Schild über den Kücken gehängt, die liechle hall eine Lanze, die Linke die Zügel des Viergespannes. Die Pferde sind schwarz, eins weiss, sämmllich mit brauner Mähne und braunem Schweif. Hinter den Pferden, nahe beim Wagen, steht eine Frau, auf welche der Krieger blickt. Sie reicht die ausgestreckte Linke zum Abschied. Die rechte Hand ist, wie beschwörend, gehoben. Doch kann man den Geslus in Verbindung mit dem der linken Hand auch einfach auf den Abschied beziehen. Weiler rechts, gegen die Pferde" gekehrt, sitzt ein Greis mit weissem Bari und Haar, einen Stab in der Hand, hinter ihm ein Krieger in voller Rüstung, mit Helm, Schild und Lanze.

a) (ebenfalls von links nach rechts) zunächst die Vordertheile von vier Pferden mit weissem Zuumwerk. Es folgt eine grofse Kriegergestalt, welche durch eine Inschrift links vom Kopfe als "A+ILLEY " bezeichnet ist. Auf dem Kopfe, von dem reiche Locken auf die rechte Schuller herabwallen, trägt er einen «rofsen Helm mit grofsem, braunem Kamm und langem Helmschweif, der Brustharnisch ist weiss, ebenso die braungeränderten Beinschienen. Der linke Fufs tritt in starker Biegung auf einen Mauerabsatz, welcher aus zwei. Lagen Quadersleinen gebildet ist. Seine hochgehobene Linke hat die Rechte eines nackten Knaben von sehr gefälliger Bildung erfasst, welcher noch höher auf einer zweiten Stufe dieses Absatzes steht und reisst sie in die Höhe über den Kopf des Knaben hinaus. Die Rechte zückt ein langes Messer gegeu ihn. Auch dieser Knabe, dessen Linke flehend in die Höhe gerichtet ist, ist durch eine Beischrift näher bezeichnet. Am linken Arm des Achilleus entlang steht etwas undeutlich, aber doch unzweifelhaft der Name "PAPR". Rechts von diesem Mauerabsatz, der hinten gerade abschliesst, ist die Hälfte eines gerüsteten Kriegers mit Helm, Schild und Lanze sichtbar. Es folgt ein Pfeiler, unten weiss, oben schwarz, welcher durch die ganze Höhe des Streifens hindurchgeht und ihn in zwei Theile theilt. Rechts von denselben zeigen sich wieder die Vordertheile eines Viergespanns, dann ein Krieger in vollständiger Rüstung. Darüber sehen von einer zinnengekröuten Mauer ein behelmter und ein uubehelmter Kopf herab, letzterer auffallend roh.

Von den vielen Sachen, welche sonst noch herumstauden, erwähne ich nur noch eine kleine Terracotta-nachbildung der bekannten Soplioklesstatue, doch ist das Gewandmotiv etwas verändert — der Mantel lässt beide Schultern frei — auch fehlen die Bücherrollen; und eine einfache Thonlampe, oben der rolie Kopf eines Satyrn, nuten in sehr deutlichen, erhabenen Buchstaben die Inschrift STROBILI.

In dem Garten der Villa befinden sich drei Sarkophage; der Besitzer hat sie, dem Vernehmen nach, in Rom erworben.

Der erste derselben ist 2' 4" engl. hoch und 6' ü1/," eagl. lang; das Material ist ein dunkelgrauer, ziemlich grobkörniger Stein (im Bruch aschgrau). Auf dem Deckel, welcher zu dem Sarkophag zu gehören scheint, liegt eine Frau ausgestreckt, in der Rechten eine Schale haltend; der Körper ist zu grofs und gestreckt für den kleinen Kopf. Das Relief ist auf beiden Seiten von je einer Säule mit ionischem Kapital eingefasst. Acht Personen sind lebhaft an einem Kampfe betheiligt. Sie tragen sämmtlich hohe Sturmhauben (oder vielleicht Schiffermützen?). Die Darstellung zerfällt in drei symmetrisch geordnete Abtheilungen. Ungefähr in der Mitte des Reliefs (ich zähle von 1. nach r.), etwas mehr nach r. hin, befindet sich

(5) ein Krieger, etwas kleiner als die übrigen. Er ist nackt, bis auf die Chlamys; seine r. ist gegen seine rechte Seite, in die Nähe der Hüfte, gedrückt, wie auf eine Wunde; die 1. scheint den Zipfel der Chlamys über den linken Oberschenkel zu ziehen und festzuhalten. Das r. Bein steht weit zurück; mit dem 1. scheint er auf einem Stein zu kniecn. Er blickt nach r. hin in die Höhe mit erkennbarem, schmerzlichem oder flehendem Ausdruck (Telephos?).
Zu beiden Seiten sind Kämpfergruppen ohne angedeuteten Zusammenhang mit der Mittelfigur. Links liegt

(3) ein Krieger am Boden; der wenig aufgerichtete Oberkörper stützt sich auf den r. Arm, der 1. ist zur Abwehr über den Kopf gelegt; auch er ist nackt, bis auf Spuren der Chlamys am Hals. Drei Kämpfer, alle in gleicher Tracht wie 5 und 3, sind mit dem Daliegenden beschäftigt. Der eine derselben

In einem anderen Theil des Gartens stellt der ebendaselbst der dritte, welcher zerbrochen ist, und zweite etwas kleinere Sarkophag, ebenfalls aus Rom ausser der liegenden Figur auf dem Deckel nur stammend, mit einer analogen aus sieben Figuren Eberköpfe als Verzierung zeigt. . (darunter eine Frau) bestehenden Kampfscene; und

(1) am weitesten nach links, holt mit beiden Händen, welche eine Keule oder den Anfang einer Lanze tragen, aus. Neben ihm, weiter nach rechts, trägt ein anderer

(2) in der l. einen runden Schild; die hochgehobene r. schwingt einen Stein, den sie auf den Daliegenden zu werfen im Begriff steht. Rechts von dem Gefallenen ist ein dritter Krieger

(4) in rascher Bewegung nach r. hin; er trägt einen kurzen, ärmellosen Chiton und einen Brustharnisch, und schleudert einen Stein rückwärts auf den am Boden liegenden.

Den Mittelpunkt der Gruppe rechts bildet wieder ein hingesunkener Krieger

(7) dessen 1. Arm schützend gegen einen Krieger (8) gerichtet ist, welcher in seiner Bewegung durchaus dem Krieger auf der anderen Seite (4) entspricht. Ganz deutlich sind nach 1. hin grofse Flügel zu erkennen. Das Geschlecht war nicht ganz deutlich^ doch schien es eher weiblich.

Links von dem Daliegenden (7) ist endlich noch (6) ein lebhaft nach rechts sich bewegender Krieger in Harnisch und Chiton. Mit der 1. hat er die halbliegende Figur (7) am Helm gepackt, um sie niederzuziehen, die r. zückt gegen sie in der Höhe des Bauches ein kurzes Schwert. Ueber dem Relief steht folgende estruskische Inschrift:

ebendaselbst der dritte, welcher zerbrochen ist, und ausser der liegenden Figur auf dem Deckel nur Eberköpfe als Verzierung zeigt.

Lissabon.

W. Gurlitt.


*1) [Etwa Copie des in mehreren Exemplaren bekannten Mosaikreliefs ? Vgl. meine antiken Bildwerke in Madrid S. 273. E. H.]
*2) Vasensammlung K. Ludwigs Taf. 1.

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